Kurzinfo: Die novellierte EU-Richtlinie über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden könnte bereits Mitte 2010 in
Kraft treten. Sie bringt etliche Neuerungen und Änderungen für
Neubau und Bestand. Deutschland und die anderen EU-Mitgliedsstaaten
müssen danach die neuen und geänderten Anforderungen in nationales Recht
umsetzen. Dieser Beitrag stellt einige wichtige Aspekte der Novelle
der EU-Gebäuderichtlinie vor.
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Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie
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Fast-Nullenergiegebäude werden Standard
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Verkäufer und Vermieter müssen Energieausweis zeigen
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Energieausweis in Verkaufs- und Vermietungs-Anzeigen
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Energieausweis schlägt die Brücke zur Energieberatung
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Energieausweis in Hotel, Kinos und Einkaufszentren aushängen
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Energieausweis wird rechtsverbindlich
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Fachliche
Fragezeichen sind geblieben
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Fazit: Energieeffiziente Gebäude eröffnen neue Chancen für
Fachleute
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Quellen und
Literaturhinweise
M. Tuschinski: Neufassung EU-Richtlinie 2010
(pdf)
Heizungsabgase kennen keine Ländergrenzen. Um die Umwelt zu
entlasten hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt bis 2020
die Energieeffizienz von Gebäuden zu steigern und den Einsatz von
erneuerbaren Energien für Heizung, Warmwasser und Klimatisierung zu
erhöhen. Dafür wurde die Europäische Gebäuderichtlinie über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden von 2003 nun geändert.
Der erste
Vorschlag kam 2008 von der EU und wurde danach im Europäischen
Parlament sowie öffentlich diskutiert und angepasst. In ihren
Stellungnahmen zum Entwurf der Novelle haben auch in Deutschland
berufliche Verbände (Bundesarchitektenkammer und
Bundesingenieurkammer) sowie Vertreter der Immobilienwirtschaft dazu
Stellung bezogen.
Im
November 2009 haben sich die Energieminister der EU-Länder auf einen
Kompromiss geeinigt. Dieser Artikel berücksichtigt diese Fassung der
Novelle. Sie soll voraussichtlich Anfang März dieses Jahres vom
Europäischen Parlament nur noch formal abgesegnet werden. Es ist zu
erwarten, dass sie Mitte dieses Jahres verkündet wird und in Kraft
tritt. Von den zahlreichen Änderungen und Neuerungen der
EU-Gebäuderichtlinie sind nachfolgend einige erläutert.
Ab 2020
sollen alle Neubauten in der EU fast keine Energie mehr benötigen
für Heizung, Warmwasser, Lüftung und Kühlung. Neubauten von Behörden
sollen bereits ab 2019 diese Anforderung erfüllen. Diesem Thema
widmet die Richtlinie den neuen Artikel 9 „Fast-Nullenergiegebäude“.
Dieses sind Gebäude mit einer sehr hohen Gesamtenergieeffizienz,
bestimmt gemäß dem Anhang I (Allgemeiner Rahmen für die Berechnung
der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden) der Richtlinie. Der nahezu
inexistente oder äußerst geringfügige Energiebedarf sollte möglichst
durch Energie aus erneuerbaren Energiequellen – auch am Standort
oder in der Nähe des Gebäudes erzeugt – gedeckt werden.
Wer in
Deutschland ein Gebäude oder Gebäudeeinheit kauft oder neu mietet
hat das Recht den Energieausweis zu verlangen. Der Verkäufer oder
Vermieter muss den Energieausweis seinen potentiellen Kunden
unverzüglich zugänglich machen. Die Novelle der EU-Richtlinie
verlangt nun dass die EU-Mitgliedsstaaten die Verkäufer und
Vermieter direkt verpflichten ihren Kunden einen Energieausweis
vorzulegen oder eine Kopie davon auszuhändigen.
Es ist
soweit: Die EU-Novelle verlangt, dass in den kommerziellen Medien
bei Verkauf- und Vermietungsanzeigen auch der Energieausweis und die
entsprechenden Kennwerte der Gebäudeeffizienz genannt werden.
Allerdings beschränkt sich die Novelle auf solche Gebäude und
Gebäudeteile, bei denen bereits ein gültiger Energieausweis
vorliegt. Das würde auf einen Schlag alle diejenigen Neubauten
betreffen, die vor weniger als zehn Jahren erbaut wurden – soweit
sie in kommerziellen Anzeigen angeboten werden. Ihre
Energie-Nachweise gelten zehn Jahre lang als Energieausweis im
Bestand bei Verkauf und Neuvermietung.
Nach wie
vor sollen die Energieausweise auch Modernisierungsempfehlungen
beinhalten. Allerdings geht der neue Anspruch der Novelle ganz klar
in Richtung einer Energieberatung: „Die Empfehlungen des Ausweises
über die Gesamtenergieeffizienz müssen an dem betreffenden Gebäude
technisch durchführbar sein und können eine Schätzung der
Amortisationszeiträume oder der Kostenvorteile während der
wirtschaftlichen Lebensdauer enthalten.“
Bei
öffentlichen Energieausweisen sollen diese Empfehlungen jedoch nicht
auch für das Publikum ausgehängt werden. Behörden sollen allerdings
innerhalb der zehnjährigen Geltungsdauer des Energieausweises den
Modernisierungsempfehlungen nachkommen, wenn sie die Eigentümer des
entsprechenden Bestandsgebäudes sind. Damit sollen sie ihrer
Vorreiterrolle gerecht werden.
Unsere
aktuelle EnEV 2009 setzt die vorhergehende EU-Gebäuderichtlinie von
2003 um. Wenn eine Behörde in einem Gebäude über 1.000 Quadratmeter
Fläche nutzt und viel Bürger sie besuchen, muss der
Gebäudeeigentümer seit Mitte des Jahres 2009 einen Energieausweis
für das Publikum gut sichtbar aushängen.
Die
Novelle der EU-Richtlinie senkt die maßgebliche Nutzfläche auf 500
Quadratmeter und zwei Jahre nach Inkrafttreten soll sie nochmals auf
250 Quadratmeter halbiert werden. Auch andere Gebäude mit regem
Publikumsverkehr (Hotels, Kinos, Kaufhäuser) sollen gemäß der
Novelle einen Energieausweis aushängen, wenn die Gesamtnutzfläche
über 500 Quadratmeter umfasst und ein gültiger Energieausweis
bereits augestellt wurde.
Nach wie
vor sollen im Bestand Energieausweise auf der Grundlage des
berechneten Energiebedarfs und des gemessenen Energieverbrauchs
möglich sein. Der Energieausweis im Bestand soll nach der Novelle
nicht mehr wie bisher nur der Information dienen.
Diese
wohlbekannte Passage wurde restlos gestrichen. Hinzugekommen ist im
Artikel 11 (Ausstellung von Ausweisen über die
Gesamtenergieeffizienz), unter Punkt 6. folgende Regelung: „Über die
möglichen Wirkungen dieser Ausweise bei etwaigen Gerichtsverfahren
wird nach dem innerstaatlichen Recht entschieden."
Trotz der
engagierten und kompetenten Stellungnahme der beruflichen
Bundesverbände der Architekten und Ingenieure, sind im vorliegenden
Entwurf zur Richtlinien-Novelle einige erstaunliche fachliche Fehler
verblieben:
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Energiebedarf ist gleich Energieverbrauch:
Die "Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes" definiert die
Novelle als „die berechnete oder gemessene Energiemenge, die
benötigt wird, um dem Energiebedarf im Rahmen der üblichen
Nutzung des Gebäudes (u. a. Heizung, Warmwasser, Kühlung,
Lüftung und Beleuchtung) gerecht zu werden.“ Mit anderen Worten:
Die Novelle sieht den Energiebedarf und den Energieverbrauch
eines Gebäudes als gleichwertig an. Und was bedeutet „übliche
Nutzung“ für ein Gebäude?
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Energetische Gebäudeeigenschaften:
Die neue Richtlinie spricht in der Anlage I von den
„tatsächlichen thermischen Eigenschaften des Gebäudes“.
Wahrscheinlich sind damit die Eigenschaften des fertig
gestellten Gebäudes gemeint.
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Wärmeschutz der Gebäudehülle:
Zu den energetischen Eigenschaften des Gebäudes zählt die
Novelle auch die „Isolierung“ in einer Reihe mit der
„Wärmekapazität, Wärmebrücken“ usw. Gemeint ist eher der
Wärmeschutz der Gebäudehülle.
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Primärenergieverbrauch bei Neubau:
Obwohl sich die Forderungen der Novelle für
Fast-Nullenergiegebäude auf neu zu bauende Gebäude bezieht, ist
von Energieverbrauch die Rede: Die Pläne der EU-Mitgliedsstaaten
beinhalten u. a. „eine ausführliche Darlegung der praktischen
Umsetzung der Definition der Fast-Nullenergiegebäude …
einschließlich eines numerischen Indikators für den
Primärenergieverbrauch in kW/m² pro Jahr.“
Der
EnEV-Standard, -Berechnungsmethoden und -Nachweise gelten nicht nur
bei Neubauten und Modernisierung, sondern auch bei Förderanträgen
für die Sanierung im Bestand für die Programme der KfW-Förderbank
oder des Marktanreizprogramms (MAP) des Bundesumweltministeriums
(BMU) usw..
Dieses
wird auch für künftige EnEV-Fassungen gelten, die gemäß der
novellierten EU-Richtlinie für energieeffiziente Gebäude kommen
werden. Wer sich als Berater oder Planer spezialisiert und die
EnEV-bezogenen Leistungen und Nachweise anbietet, eröffnet sich
vielfache Aufgaben und Auftrags-Chancen.
EU-Richtlinie 2003:
Richtlinie 2002/91/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
16. Dezember 2002 über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden,
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, 4. Januar 2003, L 1,
Seite 65-71, www.enev-online.de/epbd/
Novellierte
EU-Richtlinie: Rat der Europäischen Union: Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), Entwurf, Brüssel,
25. November 2009, www.enev-online.de/epbd/
Anpassung
EU-Richtlinie: Rat der Europäischen Union: Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), Anpassung aufgrund
des Inkrafttretens des Vertrages über die Arbeitsweise der
Europäischen Union (AEUV), Brüssel, 14. Dezember 2009,
www.enev-online.de/epbd/
BAK-Stellungnahme:
Bundesarchitektenkammer (BAK): Vorschlag der Europäischen
Kommission für eine Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von
Gebäuden (Neufassung) – „Gebäude-RL“ bzw. „EPBD“, Berlin, 31. Januar
2009, ergänzt 3. Februar 2009, www.bak.de
BIngK-Stellungsnahme:
Bundesingenieurkammer (BIngK): Stellungnahme der
Bundesingenieurkammer zum Vorschlag für eine Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Stand: 16.01.2009), Berlin,
Februar 2009, www.bingk.de
BSI-Stellungnahme:
Stellungnahme der Bundesvereinigung Spitzenverbände der
Immobilienwirtschaft (BSI) zum Vorschlag für eine Richtlinie des
Europäischen Parlaments und des Rates über die
Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden – Neufassung, Berlin, 13.
Februar 2009, www.bsi-web.de
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